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Antarktis-'Forschungsreise'              
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Drake-Passage

Freitag, 11.01.2013

Der siebte Reisetag und der zweite Tag in der Antarktis. Heute wird es soweit sein - wir werden die Antarktis betreten!

Zum Ende der Nacht hin ist noch allerbestes Wetter
- der Morgen begrüßt uns mit einem wunderbaren Sonnenaufgang. Wenig später, gegen Halbsieben, schlägt das Wetter um und es wird windiger, mit Windgeschwindigkeiten über 20 kn (Knoten, rund 37kmh oder etwas über Windstärke 5 | 5 = 35kmh), also eine ‚mäßige Brise'.

Nach dem Frühstück hören wir uns etwas ungeduldig den Erlebnisbericht über das "Überwintern auf der Neumayer-Station" Deutschlands von Dr. Riedel an. Eigentlich wollen wir alle endlich an Land gehen; auch wenn es ‚nur' eine Insel ist.

Whalers Bay, Deception Island

In der Bucht war von 1910 bis 1931 eine Walfangstation mit der südlichsten Trankocherei der Welt in Betrieb. Die Reste der acht- bis zehntausend Wale die hier in einer Saison verarbeitet wurden haben wahrscheinlich den Strand und das Gewässer gefüllt. Die Öfen wurden aus Holzmangel mit Pinguinen befeuert. Zerstörte Gebäude und verrostete Maschinen versinken heute in einem meterdicken Asche-Schlamm-Gemisch der Vulkanausbrüche von 1967 - 1970. Viele Männer habe diese "Insel der Trostlosigkeit" nicht mehr verlassen, wie die Gräber dort bezeugen.

Am Nachmittag steht die MS HAMBURG direkt vor der Einfahrt in den Krater von Deception Island. Sie hat hier an der tiefsten Stelle nur 15m Wasser unter dem Kiel, weshalb der Kapitän sehr langsam und vorsichtig manövriert. Kaum sind wir in der Whalers Bay schlägt uns mit Wucht der waagrecht fliegende Schnee bei 87kmh (Windstärke 9-10 also Sturm/starker Sturm) entgegen. Diese Fallwinde (katabatische Winde) führen in den Küstenregionen der Antarktis zu "extrem hohen Windgeschwindigkeiten bis maximal 300 km/h. Dabei strömt Luft, die über dem antarktischen Plateau abkühlte, durch die Einwirkung der Schwerkraft zu den Küsten ab". [Logbuch MS HAMBURG] Der Sturm drückt dermaßen gegen den Schiffsrumpf, dass das Ankern zu einem Glücksspiel wird. Der Kapitän bricht das Manöver ab.



vorheriges Bild   vorheriges Bild                  Die erwarten uns                 

       gesammelte Vorschriften                  nächstes Bild    nächstes Bild

Samstag, 12.01.2013

Während der Nacht ist unser Schiff unaufhaltsam durch die glatte See gepflügt. Daher erreichen wir bereits am frühen Morgen die Antarktische Halbinsel.

Vor uns liegt die Paradise Bay.

Die Antarktische Halbinsel krümmt sich wie ein linker Zeigefinger, den man nur halb gestreckt hält, aus der Hauptmasse des Kontinents heraus. Dort, wo sich beim Finger das erste Fingergelenk befindet (Grundgelenk-1. Fingergelenk-2.Fingelgelenk!) läuft die Küstenlinie in eine sehr weite Einbuchtung, die wiederum zahlreiche Unterbuchten enthält.
Genau in deren Mitte liegt die Bay mit der Station ‚Almirante Brown’.


vorheriges Bild   vorheriges Bild           Lage der Bay           nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild                                              Paradise Bay im Panorama                                             nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild           Die Station           nächstes Bild    nächstes Bild

Almirante Brown

Bald darauf nimmt eines unserer Schlauchboote
Kurs auf die kleine Pier der Station.
Das Forschungsquartier wird von Argentiniern betrieben. Es besteht eigentlich nur aus sechs dunkelrot gestrichenen Hütten und einem Komplex von Dieseltanks.
Im zentralen Langhaus sind die Forscher untergebracht. Selbstredend werden die Argentinisch-katholischen Gebäude von einer Madonna beschützt; natürlich auch die Vorratschuppen. Dort werden die Lebensmittel gelagert und das nötige Gerät untergestellt. Mehrere Funkmasten gewährleisten den Kontakt mit der Heimat.


vorheriges Bild   vorheriges Bild           Alle Fünfe           nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild      Einer geht noch      nächstes Bild    nächstes Bild

Um Acht Uhr am achten Reisetag haben wir es geschafft.
Die ersten Zwanzig unserer Reisegesellschaft werden in den Expeditions-Zodiaks an Land gebracht, und betreten damit antarktischen Boden. Fünf unserer Boote fahren jetzt wechselweise als Zubringer und bringen jeweils zwanzig Passagiere auf die Insel.


Ein anstrengendes und zeitraubendes Geschäft.

    


vorheriges Bild   vorheriges Bild        Blick auf die Bay        nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild         nahe Kolonie         nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild           Madonna           nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild           Funkbude           nächstes Bild    nächstes Bild

Die Tiere wirken vornehm, haben aber anscheinend den Schalk im Nacken. Immer wieder bricht einer von uns über die Kapriolen der Pinguine in Lachen aus. Es herrscht ein ständiges Kommen und - na ja, ‚Watscheln’. Dabei sind die Vögel uns gegenüber
eher rücksichtslos, laufen quer über unseren Weg
oder unsere Füße, blockieren unser Weiterkommen
und schnattern uns an, als wollten sie sagen
‚Ey, Platz da!’
Untereinander versucht einer den anderen weitestgehend zu ignorieren; wenn das misslingt, genügt oft ein kurzer Schnabelhieb. Jeder kümmert sich nur um sich und den eigenen Nachwuchs.

Ganz anders hingegen wenn ein Pinguin sich zur Jagd aufmacht.
Zwar wird das Meer noch einzeln aufgesucht, doch sobald Pinguine im Wasser sind, schließen sie sich zu größeren Verbänden zusammen. Mit dem eigenen Jagdverhalten hat das nichts zu tun, denn die Tiere erlegen ihren Fisch ganz individuell.

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Aber in der Gruppe liegt ein gewisser Schutz vor den Räubern auf deren Speiseplan ‚Pinguin’ steht.
Stünde ein Pinguin gegen einen Raubfisch lägen die Chancen eben bei 100 Prozent für den Beutegreifer;
bei fünfzig schwimmenden Vögeln verbessert sich die Überlebenschance also ganz erheblich.

Auch viel vom übrigen Verhalten der Antarktisbewohner geht letztlich auf die Beziehungen zwischen Beute und Raubtier zurück.
So wirken Pinguine auf uns meist tollpatschig oder lustig. Anscheinend haben die Tiere wirklich Spaß daran auf dem Bauch zu Rutschen, oder beinahe wie Skiläufer mit Steifen Beinen einen Hang herunterzuschlittern. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass die Vögel dabei auch Freude empfinden, aber tatsächlich haben sie einen echten Nutzen von solchen „Faxen“. Wenn sie beispielsweise von einem Schwertwal (Orca; eigentlich zu den Delfinen gehörend) attackiert werden, können sie sich wie ein Torpedo beschleunigend auf eine Eisscholle katapultieren. Auf dem Bauch rutschend versuchen sie dann möglichst fix vom Rand wegzukommen. Meistens hilft ihnen das dem Fressfeind zu entkommen. Gelegentlich ist die nächsterreichbare Eisscholle aber zu klein; dann verliert der Pinguin das Rennen. Und wenn der Angriff durch einen Seeleoparden erfolgt, ist selbst diese Strategie beinahe unweigerlich erfolglos. Denn jene räuberische Robbenart kann sich auf dem Eis sehr schnell und wendig bewegen. Überhaupt fußt das Antarktische Tierleben beinahe ausschließlich auf der Ernährung durch Fisch und Fleisch. Lediglich die großen Wale leben teils von (pflanzlichem) Plankton und dem (eben auch wieder tierischen) Krill.





           rechte Seite - von oben nach unten:

            ° bauchrutschender Pinguin
            ° Orca mit Beute
            ° Seeleopard

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Ein Teil von uns Weltenbummlern besteigt den höchsten Gipfel bei der Station und wird bei klarer Sicht - wie
ich später erfahre - auf sechzig Metern Höhe mit einem tollen Panorama belohnt. Auf dem Rückweg vom Gipfel hat dann das Verhalten der Pinguine auf einige abgefärbt. Statt mühsam durch den Schnee zu stapfen, rutschen sie lieber auf dem Allerwertesten zu Tal. Ihr Lachen klingt menschlich, ihr Kreischen beinahe wie das der Viecher nebenan.


vorheriges Bild   vorheriges Bild           Gipfelaussicht           nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild                 Abstieg                 nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild     "Gar ned ignoriern"     nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild       zu viel Ge(f)wühl       nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild       2, 3, bin nich da       nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild      Schwimm-Schule      nächstes Bild    nächstes Bild
Wir übrigen Abenteurer haben inzwischen Besuch von einigen Stationierten bekommen. Weltneuigkeiten, unser Herkommen, bisheriger Reiseverlauf und dergleichen mehr bilden den mehrsprachig ausgetauschten Gesprächs-
stoff. Die Argentinier haben als ‚Eisbrecher’ Thermoskannen mit Matetee dabei. Wir Globetrotter sind bei dem Gespräch eher außen vor, denn die Lektoren (Reisebegleiter) sind die eigentlich gesuchten Gesprächspartner. Alsbald kreisen die Becher zwischen den argentinischen Forschern, Lektoren und einigen Touristen. Erstaunlich
was man mit ein paar Brocken Englisch und Spanisch, sowie Händen und Füßen so alles übermitteln kann.

Allmählich bekommen wir Hunger. Also wollen wir zum Mittagessen an Bord unseres Schiffes zurückkehren. Dazu muss das Personal Abenteurer, Lektoren und Expeditionsleitung wieder ‚portionsweise’ mit den Zodiacs zur MS HAMBURG bringen. Dort erwartet uns das, wieder vorzügliche, Mittagessen.



Zodiac-Cruising

Nach der Mahlzeit und einer kleinen Pause wird uns
eine Rundfahrt mit den Schlauchbooten durch die Bucht offeriert. Ein paar wollen nicht mit, aber die Mehrzahl zeigt sich interessiert.
Das sechste Zodiac wird nun auch zu Wasser gelassen.
Irgend jemand schlägt vor, das Unternehmen in bestem ‚Denglisch’ "Zodiac-Cruising durch die Paradise Bucht" zu nennen; so ähnlich taucht es dann auch im Logbuch auf.

Sieht man sich auf der Karte die Lage der Bay an, fällt auf, wie gut geschützt die Schiffe hier vor Strömung und Wind sind. In alten Zeiten war diese Position sicher noch wichtiger als Heute. Das erklärt den Namen des kleinen Hafens.


vorheriges Bild   vorheriges Bild           Kompakt           nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild           Filigran           nächstes Bild    nächstes Bild
Es begründet auch noch eine andere Tatsache: das Vorhandensein relativ alter Eisberge. Zum Teil sind diese von woanders in die Bay getrieben, manche sind direkt hier entstanden. Da sie an diesem Ort sehr lange Existieren können ohne nennenswert abzuschmelzen, haben einige von ihnen eigene Namen bekommen:
besonders schön „Der Rätselhafte“ mit den Säulen, aber auch „Der Verschmutze“ mit einer horizontalen Sedimentschicht, „Der Steinige“ mit einem großen, eingeschlossenen Stein (Boulder), oder „Der Löchrige“ welcher an einen Schweizer Käse erinnert.
Während unser Buchtbefahrung erklären uns die Lektoren die ersten Details zur mutmaßlichen Entstehungsgeschichte dieser Eisriesen, während Pinguine die Boote begleiten. Dann legen wir wieder an unserem Schiff an, und der nächste Schwung kommt in den Genuss einer ‚Hafenrundfahrt’. Wir anderen beobachten jetzt vom Sonnendeck aus das Abfahren der Sehenswürdigkeiten. Einige berichten später von der Sichtung einer Krabbenfresserrobbe; ein paar meinen es habe sich um einen Seeleoparden gehandelt.


vorheriges Bild   vorheriges Bild    "Der Rätselhafte"    nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild    wie ein 'Öltanker'      nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild           Kristallspitze           nächstes Bild    nächstes Bild

vorheriges Bild   vorheriges Bild  schartiges Kochmesser  nächstes Bild    nächstes Bild
Plötzlich heißt es, ein Wal sei in der Bucht. Tatsächlich sind es zwei. Die alten Walfänger hätten jetzt rufen können „Wal, da bläst er“, denn die Leviathane sind nicht aus Neugier, sondern zum Luft holen aufgetaucht. Beim Ausatmen steigt eine meterhohe Fontäne von Restwasser aus der Luftröhre auf. Die Tiere atmen nur kurz ein, denn wahrscheinlich ist ihnen unsere Gegenwart nicht ganz geheuer. Schon bald tauchen sie daher zum nächsten Atemzug zwischen den Eisbergen wieder auf. Nervös (?) schlagen sie dabei mit der waagrechten Schwanzflosse, der ‚Fluke’. Ein Lektor versichert uns, das dass Schlagen mit der Fluke diesmal ungewöhnlich häufig erfolge. Vielleicht wollen die intelligenten Meeressäuger auch spielen? Jedenfalls sind wir beeindruckt.


Endlich ein Tag ganz nach unserem Geschmack.

vorheriges Bild   vorheriges Bild     abtauchender Wal     nächstes Bild    nächstes Bild
An Land haben wir nichts mehr zu tun, die Wale sind wieder abgetaucht und allmählich beginnt es zu dämmern.

Wir verlassen die Paradise Bay mit Kurs auf Port Lockroy. Während des Abendessens passieren wir die südlichste Position der Reise (64° 58,1‘ S 63° 24,5‘ W) und kurz darauf wird diesmal für die Nacht vor Goudier Island geankert. Diesen Teil der Bismarck Straße befährt man besser bei Tageslicht.

Während des Abendessens erfahren wir gesprächsweise, dass in der Paradies Bay weiter nördlich noch eine zweite, chilenische Station beheimatet ist. Diese Forschungsbasis namens Gonzales Videla besteht nur noch aus einigen neu errichteten Gebäuden.
Benannt ist das nur noch als Sommerquartier benutzte Hüttenkonglomerat nach dem ehemaligen, chilenischen Präsidenten. Früher war die Basis ganzjährig besetzt und hatte eine Landebahn für Flugzeuge. 1984 wurde sie beinahe vollständig zerstört, als der damalige Arzt der Überwinterungsmannschaft nach dreimaliger Überwinterung immer noch keine Ablösung erhielt. Zwar blieb er vorerst auf der Station, doch als ein amerikanisches Schiff in der Nähe passieren wollte, zündete er die Station an. Der Eisfahrer war zur Hilfeleistung verpflichtet und rettete die gesamte Mannschaft unverletzt; die Station hingegen brannte nieder.

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