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- kurze Geschichte der Krankenpflege -            

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Die 'kleine' Krankenpflege ...            

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V. Die Wende des Mittelalters zur Neuzeit
      Klosterkrankenhäuser



Renaissance und Humanismus hatten sich schon seit der karolingischen und ottomanischen Zeit vorbereitet, kamen aber erst im ausgehenden Mittelalter zur vollen Entfaltung. Sie brachten nicht nur Umwälzungen in der Kunst, sondern ein ganz neues Natur- und Weltverständnis. Die Theozentrische Einstellung des Mittelalters wurde von einer stark diesseitigen Geisteshaltung und einem neuen Verständnis des Menschen verdrängt. Das damit einhergehende Aufblühen der Naturwissenschaften mündete (Kopernikus 1473 bis 1543, Galilei 1564-1642; Kepler 1571-1630) in das heliozentrische Weltbild.

Auch an den medizinischen Schulen wählte man neue Methoden des Forschens und Lehrens. Paracelsus 1493-1541 und Vesalius brachten die Abkehr von Galilei 1564-1642 und Avicenna (Ibn Sina 980 v.Chr. - 37 n.Chr., arabischer Gelehrter, Weltreisender und Arzt). Man ging zur eigenen Forschung an Tieren und Menschen über - Aufschwung der Anatomie - und kam zu neuen Erkenntnissen über Krankheiten und Heilmittel (Anwendung des Arsens gegen Syphilis durch Paracelsus).
1574 wurde in Dillingen die erste in deutsch abgefasste Lehrbuchabhandlung veröffentlicht (vermutlich in Folge der Lutherischen Reformation). Welche Verbreitung das Buch fand, ist bis heute (1967) nicht bekannt.

Verwunderlich ist, wie wenig das alles die Krankenpflege berührte und wie wenig man
an eine Ausbildung eines Krankenpflegers oder Krankenpflegerin dachte.
Um die trostlosen Zustände in der Krankenpflege des 18. Jahrhunderts zu verstehen,
müssen wir den Wandel bedenken, der sich im Laufe der Jahrhunderte vollzogen hatte.

In der Zeit der Klosterkrankenhäuser (13./14. Jhd.) mögen wohl manche praktischen Arbeiten auf den Krankenabteilungen von einfachen Hilfskräften durchgeführt worden sein. Aber die In- firmare und Infirmarinnen waren gebildete Menschen, die nicht nur Lesen und Schreiben konn- ten und - ausser der französischen - die lateinische Sprache verstanden, sondern daher auch
in den Wissenschaften ihrer Zeit bewandert waren. Dafür zeugen die vielen medizinischen und heilkundlichen Bücher der Klosterbibliotheken. So waren die Infirmaren auch fähig, Beobachtungen und Erfahrungen zu sammeln, auszuwerten und weiterzugeben.
Diese Situation änderte sich schon zur Zeit der Ritterorden und später mehr und mehr
mit dem Zustrom einfacher Menschen aus den krankenpflegenden Genossenschaften,
den Bruderschaften, dem 3. Orden und den Beginenkonventen in der Krankenpflege.
Zu Renaissance und Humanismus kam im 16. Jahrhundert die Reformation.


Aus der Beschreibung der vorhergehenden Epochen ist ersichtlich, wie weitgehend religiöse Triebkräfte die Sorge für alle Notleidenden und Elenden, und damit auch für Kranke und Aussätzigen getragen haben (Galilei und 'Liebeswerk'). Wenn man gelegentlich die "guten Werke" überbetont hat, so betonte man in scharfer Abwehrstellung den Glauben allein.
Dazu kam bei vielen Menschen die starke Einstellung zur Renaissance.

Die Aufhebung zahlloser Klöster und Beginenkonvente, sowie der Rückgang der vielen, im Krankendienst sehr tätigen Bruderschaften führte zu großem Mangel an Pflegekräften.
Man war gezwungen mehr oder weniger geeignete Wärter oder Wärterinnen einzustellen.

Auch in den Stürmen des 16.Jahrhunderts lebten in ihr noch genug Kräfte christlichen
Glaubens und Liebens um neue Helfer und Hilfseinrichtungen hervorzubringen.
In Portugal gründete 1538 Johannes v. Gott den Orden der Barmherzigen Brüder, eine Laienbrüderschaft, die bis in unsere Zeit in der Kranken- und Behindertenpflege arbeiten.
Der Orden des heiligen Kamillus von Lellis, entstand ebenfalls im 16. Jahrhundert in Rom.
Er ging aus einem verborgenen selbstlosen Helfer im Hospital der Unheilbaren hervor, wuchs aber rasch zu einer Genossenschaft heran, die in vielen italienischen Städten Ordenshäuser hatten. In mehreren schweren Pestepidemien wurden die Konvente dezimiert, ja teilweise
ganz aufgerieben. Blühende Ordensprovinzen sahen ihren Mitgliederbestand bis auf wenige Religiösen zusammenschrumpfen. Ziel des Ordens war es, den Kranken im Leben und Sterben beizustehen, Krankenpflege mit Krankenseelsorge zu verbinden. In den Hospitälern der Genossenschaft waren Hygiene und Pflege vorbildlich und lagen über dem Durchschnitt
der damaligen Zeit. Um des Seelenheiles der Kranken willen erstrebte Kamillus für sich
und möglichst viele seiner Ordensbrüder das Priestertum.

Auch zwei bis in unsere Zeit wirkende Frauenorden
der Krankenpflege entstanden in dieser Zeit:
1. Nancy - 'Schwestern vom Heiligen Borromäus' - Borromäerinnen,
und vor allem in
2. Paris - die 'Genossenschaft vom heiligen Vinzenz von Paul'.

Letztere entwickelte ich aus einer Gruppe schlichter Landmädchen, die Vincenz zur Hilfe in der Krankenpflege nach Paris brachte und der mittelalterlichen und klugen Leitung der Witwe Luise le Gras (Mädchenname: Luise Marillac) unterstellte. Er selbst gab ihnen einen ausgezeichneten Unterricht in der Berufsethik der Krankenschwester. Davon zeugen seine heute noch wertvollen Briefe und Unterweisungen. Hinsichtlich aller bis dahin geltenden Auffassungen vom Leben gottgeweihter Jungfrauen, war die Tat des heiligen Vincenz umstürzend und seiner Zeit weit voraus.
Das Neue musste erkämpft werden, sowohl in der eigenen Schwesterngemeinschaft wie auch
in der Kirche. Die Schwestern arbeiteten in mehreren Krankenhäusern, seit 1633 auch neben den ursprünglichen dort tätigen Augustinerinnen, im Hotel Dieu in Paris. Einige Jahre später nahm man die Betreuung von Findelkindern und andere caritative Arbeit hinzu.
Seit 1640 arbeiten Gruppen von Vinzentinerinnen auf Grund von Verträgen in verschiedenen Spitälern, in Angers, Nantes, und im Hotel Dieu von St. Dennes bei Paris.
Seimer sagt:
"Der Vertrag, durch den im Februar 1640 ihre Anstellung im Krankenhaus in Angers erfolgte ist erhalten; er wurde zum Vorbild für alle späteren Verträge zwischen einem Mutter- und einem Krankenhaus."
Im Jahre 1660 beim Tode der 1.Oberin Frau le Gras arbeiteten bereits 350 Schwestern in 70 Anstalten in Frankreich und Polen. In der 2.Hälfte des 17. Jhd. entstanden auch von Frankreich aus in Kanada die ersten Ordenskrankenhäuser die vorbildlich wirkten, doch blieb ihre Zahl klein, so dass der große Mangel und Tiefstand der Krankenpflege in Nordamerika dadurch kaum beeinflusst wurde.

So sah auch die Wende des Mittelalters und die beginnende Neuzeit allem Weltgeist,
Wissen, Stolz und Nachstreben zum Trotz, der leidenden Menschheit noch aus Quellen
christlichen Glaubens und Liebens Helfer erstehen, die weitblickend  - und selbstlos bis
zum Heroismus -  Tausende bis in unsere Tage zu liebendem Dienst begeisterten.