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Ungleiche Schwestern - Moskau und St. Petersburg

8 Tage / 7 Nächte




"E
r war mit dem üblichen rus- sischen Anzug bekleidet, einem an der Taille geschlossenen Oberrock, dem breiten Gürtel, weiten Beinkleidern und an den Knöcheln anschließenden Stiefeln.
Auf dem Bahnhof drängten sich die Menschen. Der Zug sollte ihn nach Nischnij-Nowgorod bringen; bis dorthin führte die Eisenbahn, die Moskau mit Sankt Petersburg verband."


(J. Verne ‚Der Kurier des Zaren')










Begriffe, die im Deutschen
bekannt, oder gar in die
Sprache eingegangen sind:

Da 
(Ja),
Njet (Nein),
Spassiba (Danke),
Raboti (Arbeit),
Dawai (Beeilung),
Gulag (Straflager),
Datscha (Ferienhaus),
Zar (Kaiser),
Ukas (kaiserlicher Erlass),
Ikone (kleines Heiligenbild),
Nasdarowjie (Zum Wohl),
Perestroika (Umgestaltung),
Glasnost (Transparenz).



Russen sind abergläubisch.
Grüßen Sie nie über die
Türschwelle hinweg, das
soll Unglück bringen.

(Reise-Knigge, Russland)




Zunächst wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, ausgerechnet Russland einen Besuch abzustatten.
Nicht das ich mich vor Russland mit seiner kommunistischen Vergangenheit oder vor den Russen gefürchtet hätte, aber ich wusste aus eigener Erfahrung während meiner Kindheit in Leipzig, dass man den Russen nicht wirklich vertrauen konnte.
Sicher waren damals in meiner Geburtsstadt überwiegend Armeeangehörige und Geheimdienstler unterwegs gewesen und die DDR war ein unter Beobachtung stehendes Gebilde, was einiges Verhalten erklären konnte.

Doch ich habe so meine Probleme mit Menschen, die sich einerseits ganz und gar gefühlsbetont sentimental geben und im nächsten Augenblick unter dem Ausdruck größten Bedauerns völlig herzlos und brutal werden.
Russen erinnern mich bis heute an große, etwas tölpelhafte Bauernknechte, die ein aus dem Nest gefallenes Küken vorsichtig aufheben, es in die Gesäßtasche stecken, sich bald danach selbstvergessen darauf setzen und anschließend ratlos brummend und kopfkratzend über den nassen Blutfleck auf ihrem Rückenende wundern. Kurz, die Russen waren mir eher unsympathisch.
Aber ich wusste auch, dass sie einige Jahrhunderte großartige kulturelle Leistungen vollbracht hatten. Angefangen bei der Besiedlung unwirtlichster Landstriche (unter welchen Bedingungen für die Siedler sei hier mal außen vor gelassen), bis hin zur Entdeckung des Periodensystems der Elemente durch den Wissenschaftler Mendelejew. Zudem hatte sich dieses Riesenreich
- zumindest im Westen - immer Europa zugehörig gefühlt.

Jedenfalls forderte mich im Frühjahr meine damalige Reisegefährtin Rita Schuchmann auf, eine Städtereise in Russland mitzumachen. Sie fände bei dem Gedanken schon ihre Freude, aber alleine wolle sie dann doch nicht fahren und ich hätte doch früher bestimmt Russischunterricht gehabt, was bestimmt eine Erleichterung auf dem Trip sei. Außerdem könne sie die Reisekosten kurzfristig auslegen, wenn es daran scheitern sollte, und so weiter, und so fort. Schließlich hatte sie mich ‚breit geschlagen'.
Natürlich war ich auch ein wenig neugierig, was sich in Moskau so alles verändert hatte; lag es doch ein halbes Jahrhundert zurück, das ich die Metropole mit meiner damaligen FDJ-Einheit besuchen durfte. Insbesondere die Auswirkungen des neuen Reichtums und der veränderten Rolle Russlands in unserer Welt wollte ich einmal unmittelbar erleben. Würde der Wachwechsel am ‚Grabmal für den unbekannten Soldaten' immer noch so steif und militärisch ablaufen? Wie würde ich heute die Zuckerbäckerarchitektur erleben? Und war vielleicht Dimitri Normalverbraucher doch ein herzlicher Durchschnittsmensch? Würde ich ganzkörpertätowierten Russenmafiosi begegnen oder über arme Mamutschkas in Lumpen stolpern? Wäre die Reiseleitung streng wie in China und Vietnam oder eher beflissen wie in der übrigen Welt? Und könnte ich möglicherweise diese Wikinger- Slawenmischung etwas sympathischer finden als in der Vergangenheit?
Fragen, die sich selbstredend nur durch einen Besuch beantworten lassen würden.

Also buchte Rita für uns beide eine Zwei-Städte-Reise durch Westrussland.
Lernidee-Erlebnisreisen hatten das Angebot mit dem Namen
        "Ungleiche Schwestern - Moskau - St. Petersburg" und dem Motto
      "Der Puls der Zeit trifft den Charme der Vergangenheit" überschrieben.
Mitte Juni würden wir nach Moskau fliegen, ein paar Tage später mit dem Nachtzug
nach St. Petersburg weiterreisen und von dort den Heimflug antreten.
So weit, so gut.

Die Reisevorbereitungen waren diesmal etwas komplizierter, denn für die GUS brauchte man ein Visum. Aber das wurde, nach dem Ausfüllen von mächtig vielen Formularen, ohne ärgerliche Verzögerung erteilt. Anscheinend nahmen die Nachfolger entsprechender Stellen meine Vergangenheit nicht mehr zur Kenntnis.
Bei meinem ersten Besuch Moskaus, als Kind, waren wir noch mit dem Zug angereist. Alle Sprösslinge unseres Kollektivs durften diese Fahrt "als Belohnung" mitmachen. Zwar gehörten meine Eltern als Ladenbesitzer eigentlich zum Klassenfeind, aber damals war die offene Jagd auf unsere Familie noch nicht eröffnet. Meine sportlichen Talente als Schwimmerin versprachen Erfolge für die Republik, und da ich, wie jeder den ich kannte, das ideologische Doppelleben ganz selbstverständlich beherrschte, waren mir nur wenige suspekte oder gar konterrevolutionäre Sprüche entschlüpft und die schrieb man wohl teilweise kindlichem Eigensinn zu.
Diesmal würden wir Moskauer Boden erst nach der Landung unserer Lufthansa-Maschine betreten.
Bei meinem Erstbesuch wohnten wir in einer Jugendherbergsähnlichen Unterkunft. Mit den wenigen "Touristen"-Hotels durften wir gar nichts zu tun haben. Ohnehin waren wahrscheinlich auch unsere 'Herbergseltern' und die vorgeblichen Lebedamen in den Hotellobbys gut geschulte KGB-Agenten, oder sie wurden von diesen zumindest ‚abgeschöpft'. Abhöreinrichtungen waren damals sowieso in meinem Kalkül.

Na, darüber würde ich mir diesmal keine Sorgen machen müssen.


1. Tag | Sonntag, 12. 06.:   Deutschland - Moskau

Am Sonntag, den 12. Juni 2011 besteigen Rita und ich unseren Flieger nach Moskau.
Noch nicht so richtig mit Reiseunterlagen verwöhnt, versuchen wir während des beinahe dreistündigen Fluges den wenigen Unterlagen so viel wie möglich zu entnehmen. Meine eingerosteten Kenntnisse des Kyrillischen kommen so langsam wieder. Ich ‚übersetze' fragliche Begriffe, indem ich sie erst einmal im Geiste in Standard-Latein-Schrift übertrage, und dann im Gedächtnis nach der Bedeutung des gesuchten Wortes krame. Alles in Allem klappt das ganz gut.

             Flughafen

                           Zeitzonen

Nach unser Ankunft versorgen wir uns mit den fehlenden Informationen über die beiden Metropolen bei einem mobilen Händler. Der führt Bildbände des Kunstverlages auch auf Deutsch. Dieser Verlag ist eigentlich ein Zusammenschluss mehrer Organe, also doch wieder ein Kollektiv. Moskau wird von "Amarant" und St. Petersburg von "P-2" präsentiert, das Copyright weist das Jahr 2009 aus und der Preis für beide Bücher geht auch in Ordnung, vor allem wenn man bedenkt, dass ein Rubel nur knapp drei Cent entsprechen (1 Euro ~ 36,67 Rubel). Ergänzt wird das nun von den mehrsprachigen Stadtplänen, die uns die sehr gut deutsch sprechende Reiseleiterin aushändigt.
Am Flughafen steht ein Reisebus bereit, der uns ins Hotel ‚Borodino' bringen wird.
Das Hotel ist eher uncharmant. Alles macht den Eindruck von gewollter, angeberischer Internationalität. Unsere Reisegruppe bringt einiges Leben in die annähernd leeren Hallen. Wir bekommen unsere Zimmer zugewiesen und gehen erst einmal unseren Reisekrempel auspacken.


      Lobby des Hotels 'Borodino'

                           Moskwa

Die Fahrt zum Hotel hat bereits gezeigt, dass ich nur sehr wenig wiedererkenne. Das Stadtbild hat sich enorm verändert.
Damals wirkte alles grau, die wenigen Fahrzeuge auf den Straßen gehörten zu den handvoll bekannten, kargen Typen, also PKW die dem Trabant oder dem Wartburg ähnelten, nur das die hier Schiguli oder Sil hießen. Ein paar Exoten, wie Ungarische oder Polnische Wagen waren auch darunter. Die Menschen gingen langsam und kümmerten sich vorgeblich nicht um ihre Mitbürger. An jeder Ecke waren Uniformen von Militär und Polizei präsent und dazwischen die immer gleich ausstaffierten Agenten der Geheimdienste. Die Läden wirkten wie reine Notversorgungsanstalten mit blinden, oft leeren Schaufenstern und zwischen die paar Fahrzeuge in der Stadt mischten sich Pferdefuhrwerke die mit Bier, Kohlen oder Säcken undefinierbaren Inhalts beladen waren.

Jetzt wimmelt und wuselt es überall wie in jeder westlichen Großstadt. Verschiedenste Fahrzeuge, darunter sehr viele der Oberklasse und Luxusfahrzeuge erzeugen ein eher vertrautes Verkehrschaos. Dabei fahren die Moskauer wie die Henker, ständig tönt irgendwo eine Hupe. Menschen in unterschiedlichster Zivilkleidung eilen vor hellen Auslagen der Geschäfte unter blinkenden Leuchtreklamen vorbei. Vieles davon gibt es auch bei uns. Angefangen bei McDonalds, über Starbucks und Subway's bis hin zu Douglas, Hermés, Prada oder Gucci.
Nur der Himmel über den Verkehrsadern ist immer noch von Freiluftleitungen übersäht. Ein Teil gehört zu den überall verkehrenden Oberleitungsbussen, der Rest transportiert Elektrizität oder Telefonsignale.
Im Hotel bietet sich ein etwas anderes Bild. Der offerierte Luxus hat eine schwere, altbackene Anmutung und die Zimmer sind gut, aber auf einem Technik- und Design-Standard der 1980er Jahre ausgestattet. Dafür hat das Personal dazu gelernt. Nicht nur, dass man sich in fremden Sprachen verständigen kann, auch der Umgangston ist selbstbewusst freundlich. Ein starker Kontrast zur früheren misstrauischen Muffeligkeit.
Mit dieser Ausgangsbasis für die nächsten Tage lässt es sich leben. Jedenfalls will ich heute früh ins Bett, denn die nächsten Tage sind regelrecht mit "Programm" vollgestopft.

  
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          Konditormeister-Hochhaus

      Zuckerbäcker-Hochhaus            
  
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